Die Kolumne im FRANNS Magazin von Bench aka Benjamin Bauer
Wir alle benötigen Entscheidungshilfen für die richtige Wahl von Produkten und Dienstleistungen. Wenn wir Glück haben, stellt sich lediglich die Frage der richtigen Farbe – rot oder blau? Leider ist die Sache in der Regel wesentlich komplexer, da wir uns im alltäglichen Leben mit vielen Themen und deren Materie einfach nicht beschäftigen (wollen). Genau für diese Angelegenheiten haben Industrie und Handel tolle Schlagwörter, Labels und Gütesiegel entwickelt, die uns so manche Entscheidung erleichtern sollen.
Es fängt bereits bei unseren Grundbedürfnissen an: Für Ernährungsbewusste steht “Bio” an erster Stelle. “Bio” ist Leben, “Bio” sind wir, “Bio” rettet die Welt! Es bedarf lediglich einer dreiminütigen Doku im Privatfernsehen, in der man anpreist, wie schön, wie wichtig und wie nachhaltig “Bio” für uns sein kann. Demnach ist “Bio” der Übersoldat. Oder Übersalat. Fakt ist, “Bio” ist das Wort schlechthin, um unser Gewissen zu zähmen und zu streicheln.
Aber mal unter uns: Wer “Bio” will, könnte sich auch zu gegebenen Zeiten auf einen “Grünen Markt” begeben und bei den Händlern einkaufen, die kein Siegel brauchen, da sie seit Generationen echtes Bio produzieren, ernten und verkaufen. Trotz alledem greifen einige weiterhin zur Hochglanz-Discounter-Plastikverpackung, da sie nicht gewillt sind, ihr gustotatisches Schicksal in die (rissigen) Hände von Menschen mit verschmutzten Arbeitsklamotten zu legen.
Wie immer kommt Elend selten allein, denn da wäre noch diese Gruppe an Schlagwörtern, die nicht geschützt sind und derer sich jeder Wald-und-Wiesen-Hersteller bedienen darf. Gegenwärtig gibt es das ultimative Paradebeispiel. Würde ich die liebe Frau von und zu KI bei ChatGPT mit folgendem Wunsch konfrontieren, wäre sie mit Sicherheit maschinell sehr erregt: “Liebe KI, bitte schreib mir einen Text, der meinen Schokoladenumsatz vervierfacht, ohne dass ich mich rechtlich auf gefährlichem Terrain bewege und der dafür sorgt, dass jeder halbwegs empfängliche Endverbraucher einen Realitätsverlust erleidet und mein Produkt in exorbitant hohen Mengen kauft.” Nachdem ich Enter gedrückt habe, sehe ich hüpfende Punkte und der Dauer nach kann ich mich auf eine Antwort in Textlänge einer Pressemeldung gefasst machen. Doch die Antwort besteht lediglich aus acht Zeichen: “Dubai ;)”.
Bis vor Kurzem dachte ich bei dem Begriff Dubai noch an (Sub-)Kultur, Menschen, Geografie und erhöhte Temperaturen. Mittlerweile sehe ich nur noch einen, auf höchster Stufe programmierten Mikrowellenofen, gefüllt mit menschlichem Gehirn…
Kommen wir als Nächstes zum Kampf der Alternativen. Meine Kaffeemaschine ist verkalkt. In meinen Händen halte ich zwei verschiedene Entkalkungsprodukte: Das erste Produkt ist eine Eigenmarke mit der Beschriftung: Entkalker. Für Kaffeemaschinen. Preis: 5 Euro. Das nächste Produkt trägt die Aufschrift: “Premium”-Entkalker. Löst selbst den härtesten Kalk. Preis: 6 Euro. Kalk versaut die Lebensqualität und Kalk ist fies. Ergo, ich benötige Premium, um auch den richtig harten Kalk zu lösen. Ihr wisst schon, den härteren Kalk, der über dem normalen Kalk steht – quasi der Kalk-Obermotz. Viel hilft viel.
Weiter gehts: Ich buche ein Hotel. Das eine hat zwei Pools, drei Saunen und unzählige Massage- Treatments. Das Zweite verzeichnet einen Pool, eine Sauna, keine Treatments, dafür einen höheren Preis und … ich schlage zu, weil nur dieses Hotel als “Wellness”-Hotel deklariert wird. Mein Hirn, mein Herz, meine Hormone, alles springt freudig im Kreis, erzeugt einen positiven Kontrollverlust und verändert meine Wahrnehmung auf das Wesentliche. Somit geht wieder ein Plan auf, den man für sich hat schmieden lassen.
Also wenn ihr bei der nächsten Buchung oder dem nächsten Einkauf an meine “hochwertige” Kolumne denkt, dann habe ich alles richtig gemacht.
Euer Bench