Der Wildbienenexperte Erwin Scheuchl aus Ergolding trug am Fr. 24.11.2017 im mit gut 50 Zuhörern voll besetzten Seidlbräu-Nebenzimmer sachkundig und mit Herzblut zur Lebensweise und den Lebensraum-Ansprüchen dieser Tiergruppe vor. Durch die Veränderung der Landbewirtschaftung, insbesondere durch den Wechsel von einer bäuerlichen hin zu einer industriellen Landwirtschaft, durch einen massiven Flächenraub durch Baugebiete und Verkehrsinfrastruktur, aber auch durch Umweltgifte sind Wildbienen oder auch andere Insekten, wie Schmetterlinge, extrem im Rückgang begriffenen. Er appellierte an Kommunen sowie alle Bürger, umfassende Maßnahmen zur Verbesserung der aktuellen Lebensraumsituation einzuleiten, um wenigstens für einen Teil der Arten das Aussterben zu verhindern. Das wichtigste dabei ist, in großem Stil wieder Blühwiesen zu schaffen.

Der Ortsvorsitzende des Bund Naturschutz, Konrad Pöppel, freute sich über ein voll besetztes Nebenzimmer im Gasthof Seidlbräu. Neben dem Referenten konnte er unter anderen den BN-Kreisvorsitzenden Peter Forstner, den Vertreter des Landschaftspflegeverbandes VöF Robert Hierlmeier, die Gartenbauvereinsvorsitzende Rosi Brunnschweiger und Vertreter der Imker begrüßen. Zu den Mitgliedern und Interessierten aus dem südlichen Landkreis gesellten sich auch welche aus Rudelzhausen sowie dem Raum Abensberg und Kelheim. Die Idee, Erwin Scheuchl für einen Vortrag in Mainburg zu gewinnen, entstand im Frühjahr, als er von dem Bienenprojekt der Fa. Pinsker zusammen mit dem Bienenzucht- und Obstbauverein Enzelhausen 1899 erfuhr.

In seiner Einführung wies Konrad Pöppel auf das derzeit stattfindende Artensterben hin. Es gibt seriöse Wissenschaftler, die davon ausgehen, dass nach den nächsten 35 Jahren bei der derzeitigen Vernichtungsrate von den höheren Tier- und Pflanzenarten weltweit etwa 9 von 10 Millionen ausgestorben sein werden. Pöppel stellte dazu fest: „Wir leben im Zeitalter der Vernichtung der Schöpfung! Wir brauchen auf breiter Basis Politiker und Mitbürger, die Verantwortung für die Mitarten übernehmen und für ein Ende des Artensterbens sorgen. Auch im Landkreis Kelheim oder in der Stadt Mainburg ist es mehr als schwierig, wenigstens das Mulchen von öffentlichen Flächen zu beenden. Um wieder Blühwiesen entstehen zu lassen, ist es notwendig, nicht zu düngen und relativ spät im Jahr ein bis zweimal zu mähen sowie das Mähgut von der Fläche zu entfernen. Er versprach, sich in seiner Funktion als Stadt- und Kreisrat weiter für „Mähen statt Mulchen“ als Flächenbewirtschaftung zu engagieren.“ Dann bat er Erwin Scheuchl um seinen Vortrag, den alle schon mit Spannung erwarteten.

Der Referent begann den Vortrag mit einem Überblick über die in Deutschland heimischen Arten, von denen die meisten, d.h. ca. 520 Arten, auch in Bayern nachgewiesen sind oder waren. Etwa 350 Arten sind auf der Roten Liste, viele sind auch schon ausgestorben. Am Beispiel der noch relativ häufigen, um die 10 mm langen Roten Mauerbiene (Osmia bicornis) zeigte er den Lebenszyklus einer Wildbiene. Diese Art nimmt auch Insektenhotels gerne an. In einem Loch mit einem Durchmesser von 6 bis 9 mm werden einige Eier mit einer Paste aus Blütenpollen, dem Pollenkuchen, als Proviant in Kammern hintereinander abgelegt. Diese Wildbienenart nimmt Pollen von sehr vielen unterschiedlichen Blüten, ist also poly-lektisch. Viele andere Arten sind auf wenige Blütenpflanzen spezialisiert, also oligolektisch. Da die Männchen deutlich früher schlüpfen als die Weibchen, sind diese nahe am Eingang positioniert. Das Bienenweibchen steuert dies dadurch, dass die befruchteten Eier (weiblich) am hinteren Ende des Röhrchens und die unbefruchteten Eier (männlich) in Eingangsnähe abgelegt sind. Die Eier entwickeln sich bei der Roten Mauerbiene (Osmia bicornis) in den Kammern noch vor dem Winter bis zur fertigen Biene und überdauern in einem Kokon in Kältestarre. Verlassen wird die Röhre im April, um dann bis Ende Juni zu leben.

Mit Ausnahme der sozialen Hummeln leben fast alle anderen Arten solitär und stechen auch nicht. Die Wildbienen spielen durch ihre Funktion als Hauptbestäuber der meisten Blüten-pflanzen eine Schlüsselrolle im Naturhaushalt. Wildbienen sind strikte Veganer – sie ernähren sich und ihre Larven ausschließlich von Pollen und Nektar von Blütenpflanzen.

Die Ursachen für das Aussterben der Wildbienen sind vielfältig, besonders zu nennen sind die industrielle Landwirtschaft und die Zersiedelung der Landschaft durch den Individualverkehr. Die größten Bestandrückgänge haben die Gattung der Hummeln und die „Kuckucksbienen“, die ähnlich wie der Kuckuck ihre Eier in schon angelegte Brutkammern von Bienen legen, die sie parasitieren. Wenn die Kuckucksbienenlarven schlüpfen, wird Ei oder Larve der Wirtsbiene getötet und sich von deren Pollenkuchen ernährt. Die Kuckucksbienen machen ziemlich genau 25 % der einheimischen Wildbienen aus. Wenn ihre Wirte verschwinden, dann sterben sie natürlich vorher aus.

Wildbienenschutz ist in erster Linie der Schutz ihrer Lebensräume. Ein guter Wildbienen-Lebensraum ist gekennzeichnet durch artenreiche, über Biotopverbund vernezte Blühwiesen, in dem es möglich ist, auch im Boden (2/3 der Arten) oder in Pflanzenstängeln und Totholz, manchmal auch Fels- oder Mauerspalten, ausreichend Bruthöhlen anzulegen.

So ist es zum Beispiel für eine Wildbiene nicht möglich, in einer typischen Gartenrasenfläche Brutröhren anzulegen, weil der Boden zu sehr vom Gras verfilzt ist und das Wurzelwerk die Anlage von Nistgängen unmöglich macht. Die Vernichtung von Blühflächen in den letzten Jahrzehnten ist bedingt durch Wiesenumbruch, Aufdüngung des Bodens durch Nitrateintrag aus der Luft und vor allem auch durch das Mulchen, bei dem das zerhäckselte Pflanzenmaterial in der Fläche verbleibt und mit der Zeit nur robuste Grasarten und wenige Blütenpflanzen auf der Fläche wachsen. Daher seine Bitte, dass zumindest auf allen Flächen in öffentlichem Besitz nicht mehr gemulcht wird. Eine weitere Bitte betraf die Gartenbesitzer. Diese rief er dazu auf, in Teilen Blühwiesen mit einheimischen Pflanzen zu entwickeln und auch die Fortpflanzung durch etwas Rohboden sowie altes Holz und Pflanzenstängel oder Bienenhotels zu ermöglichen. Auch Gartenbaubetriebe können hier einen besonderen Beitrag leisten, in dem sie vermehrt einheimische autochthone Blütenpflanzen anbieten.

Am Ende des Vortrags gab es eine intensive Fragerunde. Auf die Konkurrenz zwischen der einen Art Honigbiene zu den hunderten Arten von Wildbienen angesprochen, antwortete Erwin Scheuchl wie folgt: „Imker und Naturschützer haben im Grundsatz dieselben Zielsetzung mit einer blütenreichen, giftfreien Landschaft. Im Umfeld von Naturschutzgebieten sollten aber keine Honigbienen platziert werden, da insbesondere die Wildbienenarten mit sehr geringer Individuenzahl bei Tausenden von Honigbienen von gleichen Nektar- und Pollenquellen verdrängt werden. Ich bitte darum um Verständnis bei den Imkern.“

Foto: Konrad Pöppel